Wenn es um gute Entscheidungen geht, sind Erfahrungen aus der vor-digitalen Ära in den Augen der "Leaders of Tomorrow", also den Führungskräften von morgen, deutlich weniger wert als Offenheit für neue Ideen und die Fähigkeit, mit der digitalen Informationsflut umzugehen.
Um ihre besten Mitarbeiter halten zu können, müssen Unternehmen diese stärker als bisher in Entscheidungsprozesse einbeziehen und mehr Entscheidungen delegieren. Das zeigt die Studie "Global Perspectives Barometer 2016: Voices of the Leaders of Tomorrow". Dazu befragten der GfK Verein und das St. Gallen Symposium rund 800 Nachwuchskräfte aus mehr als 70 Ländern.
Die digitale Transformation stellt Unternehmen vor neue Herausforderungen. Die Führungskräfte von morgen sind als sogenannte "Digital Natives" groß geworden. Die wachsende Komplexität und Dynamik der Digitalisierung sind für sie Normalität. Sie fordern von der Führungsriege von heute, ihr Entscheidungsverhalten radikal zu überdenken und sich bewusst zu entscheiden, anders zu entscheiden. Dazu müssen bisherige Erfahrungen und "Best Practice" aus der vor-digitalen Welt überwunden werden. Das zeigt die Studie "Global Perspectives Barometer 2016", für die der GfK Verein und das St. Gallen Symposium rund 800 Akademiker und "Young Professionals" aus der Generation der Digital Natives befragt haben. Aus den Ergebnissen lassen sich drei Kernthesen ableiten, wie sich künftige Führungskräfte Entscheidungsprozesse vorstellen.
These 1: Die größten Risiken bergen dringend nötige Entscheidungen, die versäumt werden. Die wichtigsten Fehlerquellen liegen in der Entscheidungsvorbereitung.
Über zwei Drittel (68 Prozent) der befragten Leaders of Tomorrow sind der Meinung, dass die heutigen Führungskräfte bei Fehlentscheidungen meist in den ersten Schritten versagen. Insgesamt 39 Prozent sagen zum Beispiel, dass die heutigen Manager nicht in der Lage seien, alle möglichen Lösungswege zu identifizieren oder verschiedene Optionen adäquat zu analysieren und zu gewichten. Man verließe sich zu sehr auf bisherige Erfahrungen anstatt Annahmen radikal zu hinterfragen, um zu besseren Entscheidungen zu gelangen. "Eines der größten Probleme aus Sicht des Nachwuchses ist es, dass Unternehmen blind gegenüber Innovationen sind und sich zu sehr an Bewährtes klammern", sagt Dr. Andreas Neus, stellvertretender Geschäftsführer des GfK Vereins und Autor der Studie. "Dies sollte heutigen Führungskräften zu denken geben. Denn die Zukunft jeder Organisation hängt davon ab, in sich schneller verändernden Märkten rechtzeitig sinnvolle Entscheidungen zu treffen."
These 2: Manager treffen falsche Entscheidungen, wenn sie sich in ihrer Komfortzone bewegen und nicht aktiv Widerspruch von ihren Mitarbeitern einfordern.
Die Hälfte der Befragten hält es für unabdingbar, dass Führungskräfte während des Entscheidungsprozesses vor allem die jungen Mitarbeiter aktiv auffordern, die Ideen des Managements zu hinterfragen. Widerspruch sollte aktiv eingefordert werden. "Führungskräfte sollten eigene Ideen kritisch hinterfragen und nicht davor zurückschrecken, wenn die eigene Idee zugunsten eines anderen Lösungsszenarios zerrissen wird", sagt Dr. Fabian Buder, Projektleiter und Autor der Studie.
These 3: Beziehe deine Mitarbeiter in Entscheidungen ein - oder die Besten werden gehen.
Ein erfolgreiches Unternehmen braucht engagierte Mitarbeiter. Ein Viertel der befragten Leaders of Tomorrow gibt jedoch an, eher den Job wechseln zu wollen, als für jemanden zu arbeiten, der sie bei Entscheidungen nicht konsultiert oder ihre Ideen und Einwände übergeht. Bei der Einbeziehung von Teammitgliedern in die wichtige Entscheidungsvorbereitung - hier passieren aus Sicht der Befragten am häufigsten schwerwiegende Fehler - sind sich die Leaders of Tomorrow einig: Bis zu 90 Prozent der künftigen Manager wollen ihr Team große Teile der Vorbereitung übernehmen lassen.
Das "Global Perspectives Barometer" zeigt: Die Digital Natives fordern, dass Unternehmen die Art, wie sie Entscheidungen treffen, grundlegend verändern. Zur Frage nach dem "Wie" geben die Leaders of Tomorrow konkrete Ansätze: Sie wollen in einer informationsgetriebenen und dezentralen Organisation arbeiten, in der mit klar definierten Zielen und nicht durch Hierarchie geführt wird. Dies bedeutet für 62 Prozent auch eine Verschiebung der Entscheidungsautorität: Sie fordern, dass Entscheidungen von denen getroffen werden sollten, die den engsten Kontakt zu Markt und Kunden haben. Ein freier Zugang zu internen Informationen für alle Mitarbeiter einer Organisation ist für 79 Prozent der Leaders of Tomorrow sogar die Basis für ein langfristig erfolgreiches Unternehmen. "Viele Unternehmen werden sich deshalb fragen müssen, worauf sie in zunehmend digitalisierten und beschleunigten Märkten eher verzichten können: auf traditionelle Informations- und Entscheidungsprivilegien der etablierten Management-Hierarchie oder die Ideen und Kreativität der Top-Talente unter den Digital Natives" so Dr. Johannes Berchtold, COO des St. Gallen Symposiums.