In diesem Jahr gibt es in Deutschland einen Wechsel an der Spitze des Sorgenrankings: Erstmals seit 22 Jahren steht nicht mehr Arbeitslosigkeit an erster Stelle, vielmehr ist Zuwanderung nun für über ein Drittel der Deutschen die dringendste Aufgabe.
Einer steigenden Zahl geht es dabei vor allem um bessere Integration und Bekämpfung der Ausländerfeindlichkeit. Das zeigt die Studie "Challenges of Nations 2015" des GfK Vereins. Befragt wurden über 25.000 Menschen in 22 Ländern. International bewegt die Befragten am meisten die Sorge über die Preis- und Kaufkraftentwicklung.
Statt der Arbeitslosigkeit sind nun die Zuwanderung und Integration die am meisten genannte Herausforderung. Mit einem Anstieg von 13 Prozent auf 35 Prozent hat sich die Besorgnis in Deutschland binnen Jahresfrist fast verdreifacht. Ursache dafür dürfte die steigende Anzahl Asylsuchender in Deutschland sein: 2012 wurden noch rund 78.000 verzeichnet, 2014 waren es 203.000. Ein weiterer wichtiger Faktor sind wohl die Berichte über die vielen Todesfälle auf der Fahrt über das Mittelmeer. "Da ist viel Mitgefühl und Mitleid dabei. Denn analysiert man die Antworten auf die offene Frage genauer, dann wird klar, dass die hier geäußerte Besorgnis nicht mit Fremdenfeindlichkeit gleichzusetzen ist", kommentiert Prof. Dr. Raimund Wildner, Geschäftsführer des GfK Vereins, die Ergebnisse. Denn der Anteil derjenigen, die eine Bekämpfung der Ausländerfeindlichkeit und eine bessere Integration fordern, ist seit 2014 stark gewachsen und macht mittlerweile 10 Prozent aus. Hingegen ist die Anzahl der Antworten, in denen explizit eine Ab- bzw. Ausweisung von Asylbewerbern gefordert wird, seit Jahren rückläufig: 1992 betrug sie noch 17 Prozent, heute sind es nur noch 9 Prozent. Mit der großen Sorge über Zuwanderung stehen die Deutschen im internationalen Vergleich nicht alleine da: Den Spitzenplatz nimmt das Thema auch in der Schweiz (29 Prozent) und in Schweden (25 Prozent) ein. Und auch die Nachbarn in Österreich nennen die Zuwanderung als dringend zu lösende Aufgabe (26 Prozent).
Sorge um Arbeitslosigkeit sinkt weiter
Mit 5 Prozent war die Arbeitslosenquote in Deutschland laut OECD 2014 im langfristigen Vergleich über 25 Jahre auf einem Tiefstand. Arbeitslosigkeit ist dementsprechend im Sorgenranking mit 22 Prozent auf Rang zwei gerutscht - das sind elf Prozentpunkte weniger als im Vorjahr. Auch wenn Arbeitslosigkeit sowohl in den neuen als auch in den alten Bundesländern auf dem zweiten Platz liegt, bleibt die Besorgnis im Osten mit 27 Prozent weiterhin höher als im Westen mit 21 Prozent.
Die Themen Mütterrente und Rente ab 63 haben im vergangenen Jahr kontroverse Diskussionen ausgelöst. "Trotzdem scheint die finanzielle Sicherheit im Alter für die Deutschen derzeit an Dringlichkeit zu verlieren", so Wildner. Mit 16 Prozent liegen Rente und Altersversorgung auf Rang drei. Im Vergleich zum Vorjahr sind dies acht Prozentpunkte weniger. Ähnlich viele (16 Prozent) machen sich über die Preis- und Kaufkraftentwicklung Gedanken. Mit einem Rückgang von zehn Prozentpunkten binnen Jahresfrist wird damit die niedrigste Besorgnis seit 2009 gemessen. Der Grund dürfte sein, dass 2014 die Preise nur sehr moderat um 0,9 Prozent gestiegen sind.
Sorge um Stabilität trotz guter Wirtschaftslage
Die wirtschaftliche Stabilität hingegen bereitet den Deutschen in diesem Jahr mehr Sorgen: 2014 lag das Thema noch mit 10 Prozent auf Rang 12, aktuell ist es mit 15 Prozent auf den fünften Platz gestiegen. Die wachsende Beunruhigung ist eng mit der Situation in Griechenland verknüpft, die 7 Prozent der Befragten explizit nennen. Die Unsicherheit über die Folgen eines Ausstiegs Griechenlands ist trotz positiver Prognosen die wichtigste Ursache. Armut ist mit 15 Prozent für gleich viele Menschen ein dringend zu lösendes Problem. Der langsame, aber stetige Anstieg der Besorgnis über dieses Thema setzt sich damit fort. Deutlich besorgter zeigen sich die Deutschen derzeit auch beim Thema Friedenssicherung: Hier hat sich der Anteil derer, die dies als dringend im Land zu lösende Aufgabe sehen, mehr als verdoppelt (2014: 5 Prozent; 2015: 11 Prozent) und erreicht erstmals seit 15 Jahren wieder die Top 10. Angesichts der Ukraine-Krise und der Politik Russlands ist die erhöhte Besorgnis der Bürger nachvollziehbar.
Internationale Inflationsangst
Top-Thema international ist die Preis-/Kaufkraftentwicklung mit 32 Prozent. Vor allem die Inder (56 Prozent) und Iraner (52 Prozent), aber auch die Russen (37 Prozent) und die Indonesier (33 Prozent) betrachten die Preisentwicklung mit großer Sorge. Der langjährige Spitzenreiter Arbeitslosigkeit erreicht mit 27 Prozent auch über die Länder hinweg nur noch den zweiten Platz. Weiterhin die größte Sorge bleibt Arbeitslosigkeit in Ländern wie Spanien (74 Prozent) und Frankreich (64 Prozent) sowie in Italien (55 Prozent), Polen (51 Prozent) und auch in der Türkei (30 Prozent). Ebenfalls zu den Top-3-Sorgen zählt Korruption. Sie wird von einem Fünftel aller Befragten weltweit genannt. Am häufigsten äußern Inder (36 Prozent), Spanier (34 Prozent) und Indonesier (31 Prozent) ihre Besorgnis darüber.
Sorgenfreie Schweden
In den 22 Ländern, in denen nach den am dringendsten zu lösenden Aufgaben gefragt wurden, geben die Befragten im Schnitt 2,2 Probleme an. Die meisten Sorgen werden in Nigeria genannt (3,6) gefolgt vom Iran (2,9) und Deutschland (2,7). Am Ende der Sorgenliste stehen die Türkei und Japan mit je 1,1 Antworten und als sorgenfreiestes Land Schweden. Diese Rolle Schwedens hat schon Tradition. Die Anzahl der Antworten ist dort binnen Jahresfrist sogar von 1,2 auf eine genannte Sorge gesunken.